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Mittlerweile sind ein paar Wochen ins Land gezogen und auf Arbeit ist wie immer das übliche Drama. Durch unseren neuen Chef kommt endlich etwas Bewegung rein und meine Kollegen sind am abkotzen. Mia und ich haben allerdings unseren Spaß.

Mit Nathalie läuft es so mittelmäßig, ich versuche vieles über Mia laufen zu lassen, um möglichst wenig Kontakt mit ihr zu haben. In den Meetings bemerke ich manchmal, dass Nathalie ziemlich böse auf mich ist.

Mia hat mich deswegen auch schon darauf angesprochen, doch ich habe gleich abgeblockt.

Ich gebe zu, dass Nathalie mir mittlerweile sehr fehlt, aber so ist es besser.

 

Plötzlich klingelt mein Teams auf Arbeit – mein Chef.

 

Schnell schnappe ich mir mein Headset und gehe ran.

„Hallo Frau Diantha, ich wollte sie darüber informieren, dass nächste Woche einer unserer Auftraggeber zu Besuch kommt. Wenn sie fragen hätten, könnten sie mir diese per Mail zukommen lassen?“

„Ja na klar, ich Frage morgen meine Kollegen in unserem Austausch und schicke ihnen Ende der Woche eine Mail.“

„Sehr gut, vielen Dank. Und ich möchte sie bitten an diesen beiden Tagen zum Standort zu kommen.“

WAAAAAAAS????? Ich bin geliefert!!!

Zum Glück habe ich meine Kamera aus, sonst würde er mein geschocktes Gesicht sehen.

„Äh, ja klar, kein Problem, das lässt sich einrichten.“, ich versuche meine Panik zu verstecken.

„Super, das war es auch schon. Ich wünsche ihnen schon mal einen schönen Feierabend.“

„Ja ihnen auch, bis morgen.“

Wir legen auf und ich brauche jetzt dringend eine Pause.

Nachdem ich mich beruhigt habe, arbeite ich weiter.

Als ich Feierabend mache, schalte ich alles aus und hocke mich vor meiner Konsole. Ich brauche dringend eine Ablenkung.

Nathalie wird mich umbringen, wenn sie mich in die Finger bekommt. Ich weiß doch gar nicht, wie ich mich nächste Woche ihr gegenüber verhalten soll. Ich kann nur hoffen, dass wir uns nicht über den Weg laufen. Da es keine Schulung für uns ist, stehen meine Chancen ziemlich gut, doch bei meinem Glück…

So eine Scheiße!

Ich gehe in die Küche und hole mir ein Mix Bier aus dem Kühlschrank. Ich gehe zurück ins Wohnzimmer und quäle meine Konsole weiter.

 

Die Woche verging wie im Flug und mein Wochenende war ein Alptraum. Zu schnell kam der besagte Tag, vor dem ich mich so sehr fürchte.

 

Gott sei Dank ist Mia morgen auch am Standort. Wir haben das kleine Büro für uns. Ich hoffe nur, dass ich morgen Nathalie nicht begegne.

Ich renne durch meine Wohnung und packe gerade meine Sachen für morgen zusammen, als mein Handy piept. Ich antworte Mia, die sich schon sehr auf morgen freut und wir im gleichen Büro sitzen. Ich freue mich natürlich auch Mia mal wieder zu sehen, aber dass unser Auftraggeber morgen vor Ort ist, macht mir Sorgen.  Ich gehe duschen und sehe auf meinem Arm. Die Wunden sind zahlreich und noch nicht ganz verheilt.

Ich stelle das Wasser ab, trockne mich ab und ich ziehe mir meinem Pyjama an. Ich mache mir noch schnell was zu essen und gehe dann auch gleich ins Bett.

Am nächsten Morgen hänge ich hundemüde über den Schreibtisch.

Jemand stellt einen Kaffeebecher auf den Tisch. Kaffeegeruch steigt mir in die Nase.

„Mia, du bist die Beste! Ich liebe dich!“, sage ich, greife den Becher und trinke einen Schluck.

„Nun übertreib mal nicht. Das ist nur ein Kaffee!“, lacht sie.

„Der ist lebensrettend!“, entgegne ich ihr.

Mia lacht erneut.

„Kurze Nacht?“, fragt sie, nachdem sie sich wieder beruhigt hat.

„Kann man so sagen.“

„Das wird schon. Wir packen das!“, sagt sie aufmunternd.

Ich nicke und nehme noch einen Schluck.

„Ich bin mal kurz drüben!“, sage ich und stehe auf.

„Alles klar!“

Ich gehe in das Nachbarbüro, spreche noch ein paar Sachen mit meinem Chef ab und gehe dann zurück zu Mia.

„Streber.“, sage ich, als ich sehe, dass sie schon fleißig ist.

„Ich muss ja vorarbeiten.“, grinst sie.

„Schon klar. Du schummelst! Was liegt heute eigentlich an?“

„Außer, dass der Auftraggeber kommt?“, grinst sie mich frech an.

Ich zerknülle ein Blattpapier und schmeiße es in ihre Richtung und Mia lacht erneut.

„Du musst das nicht immer wieder erwähnen. Ich weiß das selbst. Ich meinte eigentlich unsere Aufgaben für heute.“

„Ach komm, so schlimm wird es schon nicht werden!“, meint sie.

„Hmmm, Nathalie wird dich ja auch nicht umbringen!“

„Dann rede doch einfach mit ihr und schafft das Problem aus der Welt.“

„So einfach ist das nicht!“, meine ich.

„Ihr seid ein paar Nasen!“, beschwert Mia sich.

„Lass mich, ich versuche sie nur zu schützen!“

„Jaja, ich weiß. Also zurück zu den Aufgaben! Mister Einteilung ist im Emails, du bist heute im neuen System und der erst ist in der normalen Liste.“, gibt mir Mia endlich Auskunft.

„Och nöööö, ich mag das neue System nicht!!!“, heule ich rum.

„Na komm, da bist du doch schnell durch!“, meint Mia.

„Ja und danach brauche ich ein Bett!“, beschwere ich mich und Mia lacht.

„Du bist unmöglich!“

„Das sagt die richtige! Aber das ist doch wahr. Das neue System ist jetzt nicht wirklich ein Kunststück!“

„Ja, das stimmt!“, gibt Mia zu.

 

Ich melde mich endlich in den Systemen an und beginne zu arbeiten. Ich versuche Mia einzuholen. Die Zeit vergeht wie im Flug und mein Mindestsoll habe ich auch schon erreicht. Perfekt, dann ist der restliche Tag entspannter.

„Wollen wir Mittag machen?“, fragt mich Mia plötzlich.

„Klar, wollen wir zum Wasser runter?“

„Gute Idee.“

„Na dann los!“

Ich sperre meinen Laptop und schnappe mir meine Jacke von der Stuhllehne.

Ich drehe mich zur Tür und bleibe abrupt stehen. Es stehen drei Leute mit Sicherheitsabstand in Raum.

Mein Blick fällt sofort auf Nathalie. Erschrocken stelle ich fest, dass sie mich ebenfalls ansieht.

 

Meine gute Laune ist dahin…

 

Schnell wende ich den Blick ab und sehe meinen Chef an.

„Wollten sie gerade Pause machen?“, fragt er.

„Ja, wollten wir. Aber dann gehen wir halt später.“, meint Mia.

Ich sehe Mia an und könnte sie gerade erwürgen. Ich setze mich wieder und entsperre meinen Laptop.

„Ich wollte den Beiden nur zeigen, wo sie jetzt untergekommen sind und wo sie jetzt sitzen. Dauert nicht lange, da wir auch zum Mittag wollen.“, erklärt er uns.

„Super, naja eigentlich ist es unser altes Büro.“, meine ich.

„Für dich vielleicht.“, meint Mia.

„Ach stimmt, du bist ja erst zu uns gekommen.“

„Jep!“

Mia sieht mich komisch an. Sie bemerkt, dass ich am liebsten aus dem Raum stürzen würde.

Aus dem Augenwinkel sehe ich das Nathalie fragend einer Augenbraue hochzieht.

„Sie können ruhig gehen, sie müssen nicht extra bleiben!“, meint er.

Ich lasse mir das nicht zwei Mal sagen, sperre meinen Laptop und bahne mir schnellstmöglich einen Weg aus dem Büro.

Gott sei Dank hält mich Nathalie nicht auf, wahrscheinlich weil mein Chef anwesend ist.

„Hey Lauren, warte auf mich!“

Ich bleibe stehen, damit Mia zu mir aufholen kann und gemeinsam setzen wir unseren Weg fort.

„Was zur Hölle war das da bitte gerade?“, fragt mich Mia verwundert.

„Ich habe keine Lust auf eine Standpauke. Ich möchte das Verhältnis zu Nathalie weiterhin auf die Arbeit beschränken.“, flüstere ich, damit uns niemand hört.

„Rede endlich mit ihr. Sie weiß doch gar nicht was los ist! Sie hat eine Erklärung verdient!“, meint Mia leise.

„Das weiß ich selbst, aber wenn ich mit ihr rede, dann schafft sie es nur wieder, dass ich mich ihr komplett anvertraue. Dann gehe ich ihr erneut mit meinem privaten Scheiß auf die Nerven und das möchte ich nicht.“, erkläre ich ihr.

„Ich glaube nicht, dass du ihr auf die Nerven gehst.“, meint Mia.

Wir verlassen das Gebäude und gehen zum Wasser.

„Mag sein, aber das Risiko gehe nicht mehr ein. Und jetzt lass uns über was anderes reden.“, sage ich bestimmt.

Wir setzten uns auf eine kleine Mauer, reden über dieses und jenes und genießen die Sonne.

Als unsere Pause vorbei ist, gehen wir wieder ins Büro und machen uns wieder an die Arbeit.

Der Feierabend naht und ich räume schon mal den Schreibtisch auf.

„Soll ich deine Tasse mitnehmen?“, frage ich Mia und sie nickt.

Ich schnappe mir ihre Tasse und gehe in die Küche.

Ich stelle das dreckige Geschirr in den Geschirrspüler und gehe zurück zum Büro.

Ich bekomme gerade noch mit, wie Rosalie das Büro betritt. Nun vermute ich mal, dass der Rest auch da sein wird.

Großartig, kann dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden?

Ich betrete das Büro und gehe zu meinem Platz.

„Haben sie beide einen Moment?“, fragt uns unser Chef.

„Klar.“, antworten Mia und ich gleichzeitig.

„Ich konnte mit den Beiden vereinbaren, dass sie sich mit ihnen die Arbeitsanweisungen anschauen und gegebenenfalls aktualisieren.“, Nathalie und Rosalie nicken zustimmend.

 

Jep, der Tag kann noch schlimmer werden. Das ist doch alles ein abgekrageltes Spiel.

 

„Aber dann schaffen wir nicht so viele Fälle.“, sage ich grinsend, um meine Panik zu unterdrücken.

„Das ist mir klar, aber wenn die Beiden schon mal hier sind und sich dazu bereit erklären, sollten wir die Gelegenheit nutzen.“, meint unser Chef.

„Klar gerne, dann kommt das Regelwerk mal von unserer To Do Liste.“, sagt Mia und sieht mich an.

Ich funkele sie wütend an und sie schenkt mir ein Grinsen. Ich weiß genau, was sie vorhat.

„Aber das Regelwerk kommt da nie runter, weil es immer wieder Veränderungen geben wird.“, sage ich.

„Das stimmt, aber es wäre überarbeitet und keiner kann behaupten es fehlen Informationen!“

Ich könnte Mia gerade erwürgen und ihr grinsen zeigt mir, dass sie es weiß.

„Sehr gut, dann machen wir das so. Frau Diantha, bereiten sie dann alles vor?“

Na super…

„Klar, kein Problem. Sollen wir uns auf das Wichtigste konzentrieren oder gehen wir alles durch?“, frage ich.

„Wenn wir schon mal da sind, gehen wir alles durch.“, meint Nathalie.

Ich weiß, dass Nathalie mit Absicht geantwortet hat, da ich sie jetzt anschauen muss.

„Supi, dann bereite ich alles vor und bringe dann meinem Laptop zur Besprechung mit.“, sage ich und zwinge mich zu einem Lächeln.

Oh, das werden morgen laaange Stunden.

Nathalie merkt sofort, dass es gezwungen ist, sagt aber Gott sei Dank nichts.

„Sehr gut. Dann wünsche ich ihnen einen schönen Feierabend und bis morgen.“, sagt unser Chef und die drei verlassen unser Büro.

„Ich bin geliefert.“, heule ich, als die Tür ins Schloss fällt und lege meinen Kopf auf den Tisch.

„Hey, das wird schon. Solange unser Chef anwesend ist, wird sie nichts unternehmen.“, meint Mia.

„Super, dann kann ich nur hoffen, dass er jede Sekunde anwesend sein wird.“

„Nun übertreib mal nicht!“

„Ich übertreibe nicht.“, sage ich und sehe zu ihr auf.

„Das wird schon. Ich mache mir eher Sorgen um unsere Zahlen, die werden in den Keller gehen.“, meint Mia und packt dabei ihre Sachen zusammen.

„In den Keller? Sie werden ins bodenlose fallen.“

Wir lachen und ich schnappe mir meine Sachen.

„Soll ich dich mitnehmen? Ich bin heute mit dem Auto da.“, frage ich Mia und wir verlassen das Büro.

Sie strahlt mich an: „Du bist die Beste!“

„Ich weiß!“, lachend verlassen wir das Gebäude.

Am gegenüber liegendem Eingang sehe ich Rosalie und Nathalie stehen. Ich bleibe kurz stehen und beobachte sie. Zu gerne würde ich zu ihnen gehen und mich kurz mit ihnen unterhalten, doch mein Vorsatz hält mich davon ab.

„Du vermisst sie, oder?“, fragt Mia vorsichtig.

„Hmmm, schon. Mir fehlt es mit ihr rumzualbern, über Gott und die Welt zu quatschen, aber so ist es besser.“, gebe ich zu. Ich beobachte die beiden einen Moment, ehe ich mich wieder Mia zuwende.

„Komm, lass uns fahren. Ich bringe dich nach Hause.“

Ich drehe mich um und gehe zum Parkplatz. Wir steigen ins Auto und ich fahre los.

Wir reden über die Arbeit und machen uns einen Plan für morgen.

„Was mich stört ist, dass ich eigentlich diese Woche mit Emails dran bin und da ist zurzeit echt nur Mist drin. Ich hoffe die Besprechung geht nicht so lange.“

„Heute hat doch Kevin I übernommen, dann kann er es auch morgen tun.“, meint Mia.

„Großartig und sitzt dann den ganzen Tag dran.“

„Stimmt auch wieder. Ich bin morgen im neuen System unterwegs.“

„Damit bist du in maximal einer Stunde fertig.“, stelle ich lachend klar.

„Ich brauche nur eine halbe Stunde.“

Wir lachen und ziehen noch eine Weile über Kevin I und II her.

Nach ein paar Kilometern setze ich Mia bei sich zu Hause ab und mache mich auf den Weg zu mir.

Ich parke das Auto in die Garage, gehe in das Haus, schmeiße meine Sachen ins Schlafzimmer und ziehe mir Joggingzeug an.

Ich schnappe mir meine Kopfhörer und mein Handy und verlasse das Haus.

Eine runde laufen wir mir guttun.

Ich stecke die Kopfhörer ins Handy, starte meine Playlist und laufe los.

Ich nehme meine übliche Runde durch den Wald. Ab und zu halte ich an und mache ein paar Dehnungsübungen.

Nach etwa zwei Stunden laufe ich Richtung Haus. Von weitem sehe ich ein fremdes Auto vor meiner Tür stehen.

Ich verlangsame mein Tempo, als ich etwa zwanzig Meter entfernt bin, halte ich abrupt an.

Nathalie steht am Auto gelehnt und scheint auf mich zu warten.

Scheiße…

Ich drehe mich leise um und…

„Versuche und wage es ja nicht! Du kommst auf der Stelle her und redest mit mir!“, ruft sie zu mir rüber.

Oh scheiße! Und oh, oh, sie ist stinkend sauer.

Ich wäge meine Optionen ab, soll ich es riskieren und davonlaufen oder bleiben, wo ich bin.

„Ich hole dich ein, du bist ausgepowert, also versuche es erst gar nicht. Ich warte hier schon eine Weile.“

Ich kann ihr schelmischen Grinsen bis hier hersehen.

Seufzend drehe ich mich um und gehe zu ihr.

„Schön. Aber ich weiß nicht, über was du mit mir reden willst. Und außerdem, was ist mit Rosalie?“, frage ich etwas gereizt.

„Ich habe ihr kurz die Situation erklärt und sie versteht das. Sie fand dein Verhalten heute auch komisch. Und dass du ohne einen kurzen Blick stur stracks an uns vorbeifährst, macht die Sache nicht besser, zumal du uns kurz vorher beobachtet hattest.“

War ja klar, dass sie das wieder mitbekommen hat. Ich verdrehe die Augen.

„Du bekommst auch echt alles mit, oder?“, beschwere ich mich.

„Jup!“

Ich seufze.

„Tja, da ich ja sowieso keine andere Wahl habe, komm wir gehen rein.“, sage ich und schließe die Tür auf.

Wir ziehen unsere Schuhe aus und betreten die Wohnung.

„Wenn du nichts dagegen hast, würde ich schnell duschen gehen und danach hast du meine volle Aufmerksamkeit. Solange du wartest, fühl dich wie Zuhause.“, sage ich ironisch.

„Kein Problem, ich habe Zeit. Ich warte.“, meint sie.

„Schon klar.“, flüstere ich.

Ich gehe in mein Schlafzimmer, hole mir frische Kleidung und gehe ins Bad.

Ich springe unter die Dusche und lasse mir extra viel Zeit. Ich steige wieder aus der Dusche, trockne mich ab und ziehe mir die frischen Klamotten an. Ich kämme mir die nassen Haare, was ich sonst selten tue, schmeiße die dreckige Wäsche in den Korb und verlasse das Bad.

Ich gehe ins Wohnzimmer und sehe Nathalie an den Esstisch sitzen.

„Schön hast du es hier.“

„Danke. Möchtest du was trinken?“, frage ich und gehe in die Küche.

„Nein, danke.“

Ich nehme trotzdem zwei Gläser aus dem Schrank, schnappe mir die Wasserflasche und stelle alles auf den Esstisch.

Ich setze mich Nathalie gegenüber und vermeide jeden Blickkontakt.

„Also…, sagst du mir, was mit dir los ist?“, fragt sie geradeheraus.

„Nichts. Alles in bester Ordnung.“, ich fange an, an meinem Glas rumzuspielen.

„Den Scheiß kannst du sonst wem erzählen. Du kannst deinen Kollegen was vormachen, aber mir nicht! Vier Wochen Lauren! Vier Wochen, wo ich nichts von dir höre. Auf Arbeit schickst du Mia vor, du vermeidest regelrecht jeden Kontakt mit mir. Auch heute in eurem Büro, du wärst am liebsten aus dem Raum geflüchtet, denkst du ich habe das nicht bemerkt? Also was ist los? Und komm mir nicht wieder damit, dass du mir auf die Nerven gehst!“

Genau davor habe ich mich gefürchtet.

„Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“

„Nope.“

Ich seufze.

„Lauren…“, betont sie meinen Namen.

„Nathalie…“, ich versuche das ganze ins lächerliche zuziehen.

„Lass es!“

„Ich mache doch gar nichts!“, beschwere ich mich.

„Verkauf mich nicht für blöd.“

„Was willst du denn hören?“

„Die Wahrheit, verdammt! Die dein Verhalten erklärt!“

„Wozu? Wir sind doch bloß Kollegen.“, sage ich gereizt.

„Wir sind mehr als das und das weißt du auch!“

„Ach sind wir das? Du weißt alles über mich. Ohne es zu wollen, hast du mich einfach so zum Reden gebracht. Ich habe dir von meinen Problemen erzählt, von den beruflichen, als auch von den privaten. So was habe ich vorher nie getan. Aber gefühlt weiß ich rein gar nichts über dich. Rosalie und du haben schon genug für mich getan. Ich kann es nie wieder gut machen oder euch zurückgeben. Und außerdem werdet ihr eh irgendwann bald nicht mehr da sein, also warum kümmert es dich?“, sprudelt es aus mir heraus und bin dabei aufgestanden.

„Du weiß schon, dass du gerade totalen Mist von dir gibst?“

„Nein tue ich nicht!“

„Doch tust du! Soweit es dir deine Möglichkeiten erlauben, unterstützt du uns doch. Du suchst mit uns nach Lösungen und du weißt auch einiges über mich.“

„Klar…! Ja ich helfe dir beruflich, aber privat? Ja, du hast deinen eigenen Freundeskreis und ich wäre die letzte der du was erzählen oder um Rat fragen würdest. Aber ich habe keine Lust darauf, dass es irgendwann heißt, ich nutze dich nur aus. Das habe ich alles schon durchgemacht und darauf habe ich nicht noch mal Bock. Ich bin früher sehr gut allein klargekommen und das werde ich jetzt auch wieder schaffen.“

„Lauren, hör auf so einen Scheiß zu labern oder gar zu denken. Ich würde das niemals behaupten. Du bist nicht allein. Ich habe doch gesagt, dass du mich jeder Zeit anrufen kannst, ob beruflich oder privat, spielt keine Rolle. Du bist eine Freundin und daran wird sich nichts mehr ändern. Bekomme das endlich in dein Köpfchen rein. Du hast mich halt an der Backe, ob es dir gefällt oder nicht.“, sagt sie, steht auf und kommt langsam auf mich zu.

Ich versuche die Tränen zurückzuhalten.

Warum muss sie es mir immer so schwer machen.

Ich wende mich ab und entferne mich ein paar Schritte.

„Lauren, was ist los? Da ist noch mehr, stimmts?“, bohrt sie weiter nach.

Bin ich so ein offenes Buch für sie? Warum durchschaut sie mich immer wieder? Es ist echt unheimlich, wie das immer wieder schafft.

„Sag es mir!“, drängt sie mich, „warum hast du dich vier Wochen nicht gemeldet und auf Arbeit hast du dich auch extrem zurückgezogen? Du beschränkst dich nur noch auf das nötigste. WARUM?“

„DEINET WEGEN!“, schreie ich sie an.

„WAS?“

„Ich halte mich Deinet wegen von dir fern.“

„Wieso?“, sie scheint sehr irritiert zu sein.

„Ich stehe am Abgrund Nathalie. Ich bin so kurz davor, so kurz davor, die scheiß Tabletten zu schlucken, die auf meinem Nachttisch liegen. Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende. Ich kann ohne ihn nicht leben, es geht einfach nicht. Ich habe es versucht, aber ich komme einfach nicht über ihn hinweg. Ich kann ohne ihn nicht leben. Und da ich nicht möchte, dass bei dir alte Wunden wieder aufreißen und du dich elendig fühlst, darum habe ich mich zurückgezogen. Du bist mir wichtig und ich habe dich echt schrecklich lieb, aber ich kann dir das nicht antun. Also antworte ich nicht mehr, beschränke mich auf der Arbeit nur noch auf das Nötigste, in der Hoffnung, dass du sauer auf mich wirst, wenn nicht sogar hasst. Dann könnte ich ohne schlechtes Gewissen gehen und du würdest nicht so darunter leiden.“, gestehe ich unter Tränen.

„Du brauchst Hilfe!“

„Nein, schon versucht. Es bringt einfach nichts. Bitte geh einfach, Nathalie. Lass mich allein!“

„Ich gehe nirgendwo hin!“, beharrt sie.

„Mach es mir doch nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist. Also geh! Bitte.“, flehe ich und sehe sie mit weinendem Gesicht an.

Nathalie erwidert darauf nichts, sie kommt einfach zu mir und nimmt mich in den Arm.

„Lass das!“, ich versuche mich zu befreien, doch Nathalies griff wird immer fester.

Nach einem kurzen Moment des Versuchs mich zu befreien, breche ich zusammen und Tränen fließen strömend über mein Gesicht.

Meine Knie geben nach, doch Nathalie fängt mich auf und gemeinsam gehen wir zu Boden. Ich lehne mich an ihrer Schulter und ich weine mich aus. Nathalie hält mich einfach nur fest.

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